Chirurgie peripherer Nerven
Ein weiterer wichtiger Bestandteil unseres neurochirurgischen Fachgebietes ist die operative Versorgung von krankhaften Veränderungen des peripheren Nervensystems.
Zu den peripheren Nerven zählt man die Nerven der oberen und unteren Extremitäten und die Nervengeflechte (Plexus).
Die klinisch relevantesten Krankheitsgruppen sind dabei die
- Nervenkompressionssyndrome oder Druckläsionen von peripheren Nerven
- Gut-oder bösartigen Tumorerkrankungen der peripheren Nerven
- Traumatischen Schädigungen der peripheren Nerven
Die Nervenkompressionssyndrome entstehen meist durch chronisch degenerative Veränderungen an bereits physiologisch bestehenden Engstellen im Bereich der großen Gelenke (Handgelenk, Ellenbogengelenk, Kniegelenk, Sprunggelenk).
Die häufigsten Erkrankungen an der oberen Extremität sind dabei das Karpaltunnelsyndrom und das Sulcus ulnaris Syndrom.
Beim Karpaltunnelsyndrom besteht eine Einengung des N. medianus (mittlerer Unterarmnerv) im Bereich des beugeseitigen Handgelenkes und der Hohlhand, dem sog. Karpaltunnel durch Verdickung von Bändern und Sehnen. Die betroffenen Patienten klagen dabei typischerweise über nächtlich auftretende Schmerzen und Gefühlsstörungen im Bereich der Hand, im Verlauf können auch motorische Störungen "Lähmungserscheinungen der Finger" auftreten.
Die Diagnose wird zusätzlich durch elektrophysiologische Messungen (Nervenleitgeschwindigkeit und Elektromyographie) bestätigt.
Die chirurgische Therapie besteht dabei in der Spaltung des sog. Retinakulum flexorum, eines kräftigen Bandes im Bereich der Beugesehnenloge der Hand. Der Eingriff erfolgt über einen kleinen Hautschnitt meist in Lokalanästhesie (örtliche Betäubung).
Beim Sulcus ulnaris Syndrom besteht eine Einengung des N. ulnaris (Ellennerv) im Bereich des Sulcus ulnaris, einem teils knöchern teils bindegewebig begrenzten Kanal im Bereich des Ellenbogengelenkes. Auch hier klagen die Patienten über Missempfindungen und Schmerzen, vor allem im Bereich des Klein-und Ringfingers der Hand und des Unterarmes. Die Diagnose wird auch hier durch elektrophysiologische Untersuchungen bestätigt, zusätzlich häufig auch durch eine MRT-Untersuchung (Kernspintomographie) des Ellenbogengelenkes ergänzt um z.B. tumoröse Nervenveränderungen oder Ganglionzysten auszuschließen.
Die chirurgische Therapie besteht hier in einer Freilegung (Neurolyse) des Nervs im Bereich des Sulcus ulnaris mit Beseitigung der bindegewebig-ligamentären und muskulären Einengungen. Manchmal muß der Nerv dabei auch in ein neues "Bett" außerhalb des physiologischen Sulcus verlagert werden. Da sich dieser Eingriff umfangreicher als beim Karpaltunnelsyndrom darstellt wird er meist in Vollnarkose durchgeführt.
Weitere, seltener auftretende Nervenkompressionssyndrome sind das Tarsaltunnelsyndrom mit Einengung des N. tibilalis am Innenknöchel des Fußgelenkes mit klinisch vorliegenden Schmerzen und Gefühlsstörungen am Vorfuß und den Zehen.
Die Meralgia parästhetica mit Kompression des N. cutaneus femoris lateralis im Bereich des Leistenbandes mit klinisch vorliegenden Missempfindungen und Schmerzen am ventro-lateralen Oberschenkel.
Das Kompressionssyndrom des N. peronäus mit Einengung des Nervs am Kniegelenk in Höhe des Fibulaköpfchens mit klinisch imponierenden Schmerzen und Gefühlsstörungen am seitlichen Unterschenkel und am Fußrücken und oft auch vorliegenden Lähmungen der Fuß-und Zehenhebung.
Die haupsächlich bei Frauen vorkommende Morton Metatarsalgie mit Kompression der Interdigitalnerven fast ausschließlich zwischen den Metatarsalköpfchen 3 und 4 und klinisch vorliegenden Vorfußschmerzen mit Ausstrahlung in die Zehen.
Das neurogene Thoracic-Outlet-Syndrom, ein Syndrom mit Kompression der unteren Halsplexusanteile, hauptsächlich der C-8-und Th-1 Wurzel mit Schmerzen und Gefühlsstörungen im Bereich des Unterarmes und der Hand und im Verlauf auch Lähmungen der Handmuskulatur.
Die Tumore der peripheren Nerven können gut- oder sehr selten bösartig sein. Zu den häufigsten gutartigen Tumoren zählen das sog. Schwannom und das Neurofibrom, zu den seltenen bösartigen Tumoren der maligne periphere Nervenscheidentumor (MPNST). In jedem Fall ist eine sorgfältige Diagnostik mit Elektrophysiologie und Kernspintomographie notwendig, bei Malignität natürlich auch die Suche nach Fernabsiedlungen. Die Therapie umfasst die vollständige mikroneurochirurgische Exstirpation der Tumoren und im Falle der Malignität auch eine entsprechende chemo-und strahlentherapeutische Nachbehandlung.
Traumatische Schädigungen der peripheren Nerven nach Quetschungen, Teil- oder Komplettdurchtrennungen von Nerven werden neurochirurgisch meist sekundär, d.h. im Verlauf nach entsprechenden klinischen, elektrophysiologischen und kernspintomographischen Kontrollen, wenn nötig operativ versorgt. Hier bieten sich je nach Befund mikroneurochirurgische Neurolysen, End-zu-End-Nahtanastomosen und autologe Nerventransplantationen an.
In allen Fällen von schweren chronischen Nervenschäden nach z.B. mehrfachen Operationen oder Traumen mit Ausbildung von neuropathischen Schmerzsymptomen, bei denen die Erkrankungen nicht mehr ursächlich zu behandeln sind, bieten wir auch neuromodulatorische Verfahren wie die SCS-Stimulation oder die direkte periphere Nervenstimulation an. Hier werden über kleine Zugänge Elektroden auf den Nerven gelegt, die eine Schmerzweiterleitung abschwächen oder unterbinden.